MEINE BERGSTRASSE.

„Wir haben noch immer den Fuß am Gas“

Uli Roth, 154-facher Handballnationalspieler und Mitgestalter des Neustarts der SG Leutershausen, über gelebte Kindheitsträume, die langwierige Wiederbelebung des Bergsträßer Traditionsvereins und seine persönliche Interpretation von Heimat.

Eichbaum aktuell: Herr Roth, all denen, die wissen, dass man das Spielgerät beim Handball nicht mit den Füßen berühren darf, muss man Sie als 154-fachen Nationalspieler nicht vorstellen. Hier unsere Servicefrage für alle anderen: Welcher sportliche Erfolg war Ihr schönster – die deutsche Meisterschaft 1990, einer der Pokalsiege 1987 und 1989 oder das olympische Silber 1984?

Uli Roth: Das lässt sich so konkret gar nicht beantworten. Generell ist jeder Titelgewinn die Erfüllung eines Traums, den man schon als Kind geträumt hat. National ist die deutsche Meisterschaft natürlich die Krone einer Karriere. Beim TV Großwallstadt kam damals noch das Überraschungsmoment dazu, weil wir zunächst eigentlich gar nicht als Titelkandidat galten – entsprechend euphorisch haben wir dann auch gefeiert. Das lässt sich aber kaum vergleichen mit Olympia 1984 in Los Angeles. Da war schon das Ereignis an sich ein gigantisches Erlebnis, das du nie im Leben vergisst. Als wir dann nach dem Sieg im Halbfinale eine Medaille sicher hatten, waren wir völlig aus dem Häuschen. Sonst hätten wir das Endspiel gegen Jugoslawien womöglich auch noch gewonnen.

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Eichbaum aktuell: In den ersten und in den letzten Jahren Ihrer Karriere trugen Sie das Trikot der SG Leutershausen, Ihre Titel gewannen Sie jedoch mit bayerischen Vereinen. Haben Ihnen die Bergsträßer das so ohne Weiteres verziehen?

Uli Roth: Ich glaube, die meisten mussten uns gar nichts verzeihen, weil sie uns nie etwas übel genommen hatten. Als wir, mein Bruder und ich, die SGL verließen, spielte der Verein in der Zweiten Bundesliga. Und im Grunde war klar, dass wir uns als Junioren-Nationalspieler nur in der Ersten Liga wirklich weiterentwickeln konnten. Außerdem stand für mich von Anfang an fest, dass dies kein Abschied für immer sein würde. Ungeachtet aller Erfolge, die ich in München und Großwallstadt errungen habe: Wenn ich in Interviews nach der schönsten Zeit meiner Karriere gefragt werde, gibt es für mich nur eine Antwort – die Jugend in Leutershausen.

Eichbaum aktuell: Dass Ihre Beziehung zur SGL eine Herzensangelegenheit ist, zeigen Sie auch jetzt als Mitgestalter des Neustarts nach der Insolvenz des Vereins im Jahr 2006. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie 2007 auf den Resetknopf drückten?

Uli Roth: Meine Hauptmotivation für das Engagement für die SGL ist schnell erklärt: Ich möchte etwas von dem wieder zurückgeben, was ich zu Beginn meiner Laufbahn selbst bekommen habe. Zum Glück ging das anderen ehemaligen Spielern genauso. Wir wollten diesen wunderbaren Traditionsverein einfach nicht vor die Hunde gehen lassen. Natürlich wussten wir, dass es nicht leicht wird. Aber mit einem gemeinsam entwickelten und konsequent umgesetzten Konzept, das sehr stark auf junge Spieler setzt, ging es dann erst einmal recht zügig in die richtige Richtung.

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Eichbaum aktuell: Kürzlich kam allerdings wieder eine neue Hiobsbotschaft: Sie haben auf die Lizenz für die Zweite Liga verzichtet und gehen freiwillig zurück ins dritte Glied. Wie kam es zu der Vollbremsung?

Uli Roth: Ich würde es nicht als Vollbremsung bezeichnen, sondern – um im Bild zu bleiben – als vorausschauende Fahrweise. Wir sind in der Dritten Liga mit einer Geschwindigkeit unterwegs, für die wir uns den Sprit leisten können. Aber wir haben noch immer den Fuß am Gas und wenn es die wirtschaftliche Situation erlaubt, können wir das Pedal jederzeit wieder durchtreten und angreifen. Dafür brauchen wir allerdings einen Hauptsponsor, ein Großunternehmen, das bereit ist, diesen Weg mit uns zu gehen. Und bisher sind wir leider noch nicht fündig geworden.

Eichbaum aktuell: Welche Rolle spielen regionale Förderer wie die Privatbrauerei Eichbaum in Ihren Planungen?

Uli Roth: Eine ganz entscheidende. Eichbaum ist für uns ein unglaublich wichtiger Partner, der uns schon sehr lange nach Kräften unterstützt – noch dazu einer, der ideal zu einem Traditionsverein wie der SG Leutershausen passt, weil er selbst auf eine sehr lange Tradition zurückblicken kann. Aber wir können und wollen von Eichbaum natürlich nicht verlangen, dass man zu unseren Gunsten alles auf eine Karte setzt und alle anderen Vereine in der Region leer ausgehen lässt.

Eichbaum aktuell: Die gegnerischen Mannschaften finden nach jedem Spiel in der Heinrich-Beck-Halle einen gut gekühlten Kasten frisches Eichbaum in der Gästekabine. Das Heimteam und sein 2. Vorsitzender sitzen aber hoffentlich auch nicht auf dem Trockenen.

Uli Roth: Nein, auch für unsere eigenen Jungs gibts nach der Partie einen Kasten UREICH – allerdings nur, wenn sie gewonnen haben. Nach einer Niederlage hätten sie ja auch gar keinen Grund, auf irgendetwas anzustoßen.

Eichbaum aktuell: Wenn Sie nicht gerade für die SGL aktiv sind, kümmern Sie sich als Musikmanager unter anderem um die Geschicke der deutschen Popband PUR. Wie viel Zeit bleibt dazwischen noch übrig, um den Frühling an der Bergstraße zu genießen?

Uli Roth: Zeit ist für mich ein Managementthema, das heißt, im Grunde habe ich für alles genau so viel Zeit, wie ich mir dafür organisiere. Natürlich würde ich mir auch den einen oder anderen freien Abend mehr wünschen – aber ganz verzichten muss ich auf die Faszination des Frühlings nicht.

Eichbaum aktuell: Wie beschreiben Sie die Bergstraße, wenn Sie bei Auswärtsspielen davon erzählen?

Uli Roth: Was ich auf meinen vielen Reisen immer wieder gemerkt habe: Ich empfinde nicht nur die Bergstraße als meine Heimat, sondern eigentlich die ganze Kurpfalz. Heimat ist für mich dort, wo ich mich am wohlsten fühle, wo meine Familie, meine Freunde und meine Bekannten sind. Aber ich verbinde mit dem Begriff durchaus auch Orte: das Heidelberger Schloss etwa oder den Philosophenweg, den Weinheimer Marktplatz oder die Mannheimer Fressgasse. Ich erzähle in der Tat gerne von der Region, aus der ich komme, und ich mache auch kein Geheimnis daraus, dass ich stolz darauf bin.

Eichbaum aktuell: Herr Roth, wir bedanken uns für das Gespräch.

(Interview aus dem Jahr 2014)