MEIN SPEYER.

„Der Dom hat mich nie losgelassen“

Otto Georgens, seit 1995 Weihbischof im Bistum Speyer, über seine Interpretation des Begriffs Heimat, seine persönliche Beziehung zur Domstadt, zur regionalen Küche und zum Weizenbier sowie über einen ganz besonderen virtuellen Raum, in dem Mensch und Geist zu Hause sind.

Eichbaum Aktuell: Herr Weihbischof Georgens, Ihr Geburtsort Weisenheim am Berg liegt gerade einmal 40 Kilometer von Ihrem heutigen Amtssitz in Speyer entfernt. Hat der Begriff Heimat eine besondere Bedeutung für Sie?

Weihbischof Otto Georgens: Ja, ich kann durchaus sagen, dass ich ein heimatverbundener Mensch bin. Ich besuche gern den Ort, wo ich meine Wurzeln habe. Aber der Begriff Heimat ist nicht nur geografisch zu verstehen. Heimat sind die Menschen, die man mag und die einen mögen, die einem Sicherheit und Geborgenheit schenken.

Eichbaum Aktuell: War Ihre Vertrautheit mit Land und Leuten ein großer Vorteil, als Sie 1995 von Papst Johannes Paul II. zum Weihbischof ernannt wurden?

Weihbischof Otto Georgens: Die Ernennung zum Weihbischof hat mich völlig überrascht, sie lag nicht in meiner Lebensplanung. Aber die Menschen haben es mir leicht gemacht, diese Herausforderung anzunehmen. Die Nachricht, dass ich zum Weihbischof ernannt wurde, wurde durchweg positiv aufgenommen, etwa in dem Sinn: Das ist einer von uns. Und Jugendliche haben bei meiner Bischofsweihe ein Spruchband hochgehalten mit dem Slogan „Otto find‘ ich gut“.

Eichbaum Aktuell: Wie haben Sie die Domstadt als Kind und Jugendlicher erlebt – und wie erleben Sie sie heute?

Weihbischof Otto Georgens: Mein erstes Domerlebnis hatte ich als Zehnjähriger beim großen Domjubiläum 1961. Der Dom hat mich zeit meines Lebens nicht losgelassen. Von 1965 bis zum Abitur habe ich meine Schuljahre in Speyer verbracht und bin dadurch öfter in den Dom gekommen. Gottesdienste in der Krypta sind mir aus dieser Zeit unvergessen. Eichbaum Aktuell: Welchen leiblichen Genüssen können Sie in Speyer und der Kurpfalz am wenigsten widerstehen? Weihbischof Otto Georgens: Die Pfälzer Küche kenne ich in- und auswendig, dafür sorgt schon meine Mutter. Im Frühjahr genieße ich den Spargel, im Sommer den Flammkuchen, im Herbst „Grumbeersupp“ und „Quetschekuche“ und im Winter Saumagen, Leberknödel und Sauerkraut.


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Eichbaum Aktuell: Sie gelten als hervorragender Weinkenner und werden bei regionalen Feierlichkeiten schon mal als „Woibischof“ angekündigt. Andererseits haben sich vor allem im Mittelalter viele Klöster um die Verfeinerung des Kulturguts Bier verdient gemacht. Wie lösen Sie diesen kulinarischen Konflikt bei der Wahl Ihrer Erfrischungen?

Weihbischof Otto Georgens: Dem Bier bin ich durchaus nicht abgeneigt. An heißen Tagen ziehe ich meistens dem Pfälzer Schoppen ein kühles Weizenbier vor. Damit habe ich bei Festessen schon manchen Gastgeber verblüfft, der mir seinen Wein kredenzen wollte. Und im Übrigen schließt das eine das andere nicht aus: Der Metzger bei früheren Hausschlachtungen griff statt zu Fleisch und Wurst auch schon mal zu Kaffee und Kuchen.

Eichbaum Aktuell: Als größte erhaltene romanische Kirche der Welt lockt der Kaiserdom immer wieder hohen Besuch nach Speyer – während der Kanzlerschaft von Helmut Kohl zum Beispiel fast alle damaligen Größen der Weltpolitik. An welche Begegnung erinnern Sie sich am liebsten?

Weihbischof Otto Georgens: Unvergesslich ist mir der Besuch des spanischen Königspaares im Speyerer Dom, bei dem der Domorganist den „Spanischen Königsmarsch“ gespielt hat, was bei den Staatsgästen besonders gut ankam.

 

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Eichbaum Aktuell: Auf große Begeisterung stößt seit fast zwei Jahren die Online-Plattform www.kaiserdom-virtuell.de, die gerade noch einmal deutlich erweitert wurde. „Ab sofort sind Mensch und Geist im virtuellen Dom zu Hause“, wurden Sie bei der offiziellen Eröffnung des erweiterten Portals im März 2013 zitiert. Was genau meinten Sie damit?

Weihbischof Otto Georgens: Bei Kaiserdom Speyer Virtuell sollen Besucher das Gotteshaus und Weltkulturerbe möglichst 1:1 im Internet besichtigen und erleben können. Als Besonderheit gibt es sogenannte 360°-Standpunkte. Besucher können sich hier online um die eigene Achse drehen und – genau wie im realen Bauwerk auch – frei in alle Richtungen blicken. Seit März beleben neue Film- und Audioinformationen zu Liturgie und Historie den virtuellen Dom mit Mensch und Geist. Beispielsweise können Sie sich Ausschnitte aus der ZDF-Gottesdienstübertragung zur 950-Jahr-Feier anschauen, oder Sie hören Musik der neuen Hauptorgel.

Eichbaum Aktuell: Herr Weihbischof Georgens, wir danken Ihnen für das Gespräch.

(Interview aus dem Jahr 2013)